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Tornadische Classic-Superzelle bei Campo/CO am 31.Mai 2010:

Tja, was soll man zu diesem Tag sagen. Man muss schon ziemlich viele Superlative aneinanderreihen, einer adäquaten Beschreibung der Ereignisse gerecht zu werden. Just unfuckinbelievable!!! Jetzt fehlt uns eigentlich nur noch ein richtig geniales ufo-gleiches Mothership (mit oder Ohne Tornado) ... vielleicht ja schon beim nächsten Mal, die Vorfreude ist schon jetzt riesig. Der ausführliche Text wie immer von der SChaPLe-Homepage übernommen - www.SChaPLe.com - gleichzeitig der letzte Chase mit vorzeigbaren Bildern im Jahr 2010. Angemerkt sei, dass einige Bilder stark nachbearbeitet worden sind, da die Kontraste teils doch recht mau sind.


Killing the Murmeltier in two steps ... Nach dem Multizellen-Vortags-Gedöns, stand heute ursprünglich die Südwestecke von Kansas auf dem Chaseprogramm (Grenze Colorado/Oklahoma-Panhandle), bevor es tags darauf zum diesjährigen Showdown nach Nebraska gehen sollte. Frühmorgens im Motel in Woodward somit der routinemäßige Kartencheck, und spontan stellte sich das Murmeltiertag-reloaded-Gefühl bei uns ein ... gewürzt mit einem Schuss noch intensiverer Demotivation als am Tag zuvor. High-based crap ohne mid- und upper level wind speeds, dessen einziger Vorteil war, dass kein Multizellengeclustere zu erwarten war (aufgrund der mangelnden Feuchtezufuhr). Die schönen Karten der Vortagesmodellläufe waren jedenfalls wie vom nicht vorhandenen Jet verblasen.

Aber wie das manchmal so ist, da ist man schon einmal fast vor Ort, also fährt man halt wie geplant den Umweg, zumal es in Ulysses ja noch guten Ökosaft für unsere CO2-Schleuder gab, da man in Kansas offenbar relativ konsequent auf green energy setzt. Neben überraschend vielen neuen Windparks gibts hier nämlich tatsächlich Ethanol zu tanken (mit Restbenzinbeimischung von 15%), welches unsere Kiste dank Flexfuel problemlos verträgt. Das Schöne daran ist, dass man (vom Restbenzin abgesehen) damit nur noch Wasser und CO2 aus dem Auspuff pustet und somit fast gesundheitsneutral unterwegs ist. Da aus nachwachsendem Zeuchs hergestellt, isses auch noch relativ klimaneutral, zumindest dann wenn man dafür nicht den Regenwald niedergemäht, die Düngerkeule geschwungen, oder anderer Leute Nahrungsgrundlage verbrannt hat - Edit: was ganz offenbar aber leider der Fall ist, wie in diversen wissenschaftlichen Studien nachlesbar. Okay, den goldenen Respektsgrashalm für die umweltfreundlichsten Chaser können wir uns damit also definitiv nicht erdienen, aber das war auch nicht unser Plan ;-). Anyway, wir schweifen ab ...

Ulysses hat uns am frühen Nachmittag bereits mit einem langgezogenen Amboss begrüßt, Auslösung war dieses Jahr allerdings noch nie unser Problem. Die Erwartungshaltung daher unverädert im nichtmessbaren Bereich. Immerhin war die dazugehörige Zelle laut Radar noch nicht tot, ihr Standort im südöstlichen Colorado unter scherungstechnischen Aspekten hingegen wenig erfreulich. CAPE dafür besser als erwartet und in Zugrichtung sollte auch das LCL (lifting condensation level) langsam auf annehmbare Werte absinken. Wie gesagt, same procedure as the day before ... ranfahren und schauen was geht.

Über eine Stunde und etliche gravel roads später, hatten wir dann die diffuse Basis gut im Blick, wobei unser Alpha-Chaser beim Blick auf den Updraft-Bereich dem Ding (und uns) grad mal noch ne viertel Stunde Lebenszeit gab. Nach drei abgesessenen Minuten, in denen uns einzig die Anvil-Ground-Blitze beeindrucken konnten, wurde wie üblich rumgequengelt/-geningelt, worauf der diensthabende Fahrer in dem ihm ureigenen Chillmode darauf hinwies, dass erst 3 Minuten vergangen sind und jetzt bitteschön gewartet wird. Also wurde teils augenrollend, teils auf der Rückbank schlafend, teils auf die verreckenden nördlichen (sich dafür aber in besser gescherter Umgebung befindenden) Zellen hoffend Folge geleistet und erst nach weiteren 10 Minuten wieder die alte Leier angeworfen. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir in diesem Moment den Tag und die Zelle abgeschrieben hatten und drauf und dran waren gemütlich Richtung Nebraska zu trällern.

Was uns letztlich davon abgehalten hat ist schwer zu sagen, aber vermutlich war es die dem Mensch inhärente und niemals sterbende letzte Hoffnung. Jene eigentlich sinnlose Hoffnung, die aller Vernunft und Rationalität diametral gegenübersteht, einen aber dennoch davon abhält, auch noch der abgef***testen Zelle auf der Stelle den Rücken zu kehren ... was wir übrigens ohne Zweifel sofort gemacht hätten, wäre auch nur eine der nördlichen Zellen über das Stadium eines abkackenden Turkey Tower hinaus gekommen.

But Thank God, wie der US-Amerikaner sagt, ist es dazu nicht gekommen und wir haben uns nun der Zelle erstmal grundlos ein paar Meilen genähert. Dort haben wir dann willenlos zugeschaut was aus dem Basisgebratze so werden würde, welches schätzungsweise bei 1.5-2 km sein LCL hatte. Immerhin hätte man sich mit viel Phantasie vorstellen können, dass es sich um inflow wind aus recht günstiger SE-Richtung handelt. Glauben wollte das natürlich keiner so recht, auch nicht als die Basis einen etwas lebhafteren Eindruck zu machen begann und eine gewisse undefinierte Krümmung aufwies. Ihr in dieser Phase irgendwelche Rotation zuzusprechen, ja überhaupt nur an das Wort Superzelle zu denken, wäre aus unserer Sicht deutlich zuviel positiver Interpretationswille gewesen. Immerhin haben nun auch die letzten fotounwilligen crew member ihre Kamera zumindest mal angefasst, und die Schlaffraktion eine Döspause eingelegt. Als dann langsam aber sicher in der Mitte des Basisbogens (ja, auch das Wort Mesozyklone wollte uns partout nicht über die Lippen kommen) ein lowering erkennbar war, ist zumindest das Thema Abbruch erstmal in den Hintergrund gerückt. Die Frage war, was würde so ein Lowering in 1.5 km Höhe ausrichten können? Würde es mehr als einen guten Eindruck hinterlassen? Würde es dem bisher recht murmeltiertag-ähnlichen Szenario ein Ende bereiten?

Überraschend fix zeigte sich, dass das Lowering zumindest wild zu rotieren angefangen hatte und sich durchaus weiter absenken könnte. Fraktus wurde durch die Gegend geschleudert und ziemlich aus dem Nichts, begann das Teil sichtbar einen schicken laminaren Funnel zu produzieren. Unglaubliches Staunen macht sich breit, während die Wallcloud weiter übel rumrotiert und als Riesennase nun fast 2/3 des Weges bis zum Boden eingenommen hat. Das Ganze wird nach einer Weile langsam rainwrapped, es scheint aber keinen Touchdown gegeben zu haben.

Schnell nochmal die anfängliche Frage wiederholend, ob weiteres Interesse am Verfolgen der Zelle besteht, gabs nun ein noch ignoranteres Augenrollen ... komischerweise bedeutete es diesmal genau das Gegenteil. Scheint, als hätten wir Phase 1 der Murmeltier-Hinrichtung erfolgreich hinter uns gebracht :-). Wir positionierten uns somit wieder südöstlich der Zelle, welche sich nun ziemlich straight Richtung SSE bewegte. Die Mesozyklone sah dabei nicht unbedingt spektakulär aus, teils war sogar deutlich outflow zu sehen, allerdings hat wohl nun auch der letzte high risk-Chaser Blut geleckt und gemerkt, dass diese Zelle aus unerfindlichen Gründen einen ziemlichen Spin hatte. Der einigermaßen simple Hintergedanke war, dass die Zelle nach erfolgreicher Umstrukturierung doch bitteschön nochmal in der Lage sein müsste, ein wenig Vorticitytransport nach ganz unten zu bewerkstelligen, wo auch immer sie selbige hernehmen möge. So ging es bis zur state border zwischen Colorado und Oklahoma, wo uns das "Welcome to colorful Colorado"-Schild als passender Tornadovordergrund sehr geeignet erschien ;-). Kleiner Scherz, denn bei aller angefachten Euphorie, es dauert eben eine Weile, um von Erwartungslevel Null in den "Wünsch-dir-was-Modus" umzuschalten. Zumal man die Erfahrung ja immer noch auf seiner Seite hat, welche einen vor etwaigen unberechtigten Euphorie-Attacken eindringlich warnt.

Allein, diesmal war jegliche Anti-Euphorie vergebens, denn was sich nun ab 00:05 UTC am 01.06.2010 etwas südlich der Ortschaft Campo in Colorado abspielen sollte, das übertraf ALLES. Es sprengt jegliche Vorstellungskraft, es lässt sich in keine angemessenen Worte fassen und es ist wohl die once-in-a-lifetime-Chaser-experience, die man als grandioses Resultat einer gelungenen atmosphärischen Superzellkochsession und unfassbaren Glücks einfach genießen muss. Mitten aus der Wallcloud schiebt sich an eigentlich etwas unerwarteter Stelle (man hätte wohl eher einem der zahlreichen Funnelversuche an der Wallcloud das Tornadopotenzial zugeschrieben) langsam ein extrem laminarer Elephant Trunk nach unten und hat nach kurzer Zeit Bodenkontakt.

In einem tranceartigen Zustand hat man nun nur noch mechanisch die Kamera zu bedienen versucht, um das unglaubliche Spektakel bestmöglich auf den Chip zu bannen. Aus dem Rüssel wurde nach ein paar Minuten ein impressiver stove pipe Tornado, der sich langsam vor uns von West nach Ost schob, dabei teilweise den Dreck weit bis nach oben schleudernd. Dass nun sogar das perfekt platzierte "Welcome to colorful Colorado"-Schild seinen avisierten Einsatz als wunderbarer Nebendarsteller haben würde ... man wollte es nicht wirklich glauben. Nicht zu erwähnen, dass uns auch noch die gelbe Sau als weiterer Nebendarsteller die Aufwartung machte. What to say: The Murmeltier has been successfully killed! Phase 2 accomplished.
br> Nach fast 15 Minuten am Boden mussten wir dann aufgrund der extrem starken RFD-Böen etwas nach Süden weiterfahren, den Tornado nun nordöstlich von uns immer im staunenden Blick behaltend. Beim nächsten Stopp war die schönste Phase zwar bereits vorbei, denn der Tornado wurde rainwrapped, dafür kamen andere Nettigkeiten wie Regenbogen, der Updraft und Rückseiten weiterer Cb-Türme ins Blickfeld. Dazu fiese Turbulenz unterhalb der Meso und eine Hammerrotation der Meso selbst, sowie verschiedene Stadien des immer noch rumschwurbelnden Tornados, bis nach ca. 30 Minuten das Ganze recht diffus wurde und wir uns einstweilen von der Zelle entfernten, um uns von Boise City aus Richtung WSW der Meso nochmal zu nähern.

Das gelang uns sogar schon etwas eher über eine farm road nach Osten, von welcher aus wir nach fast einer Stunde erneut den (oder einen neuen) Tornado sehen konnten, wenn auch in einem vergleichsweise unfotogenen Stadium. Etwas später ging es noch an die Rückseite, wo uns ein herrlicher Sonnenuntergang einerseits und "unsere" Superzelle mit einem weiteren Tornadoschmiss langsam dem Ende dieses unbeschreiblichen Chasetages näher brachten.

Nicht viel mehr als zwei Stunden lagen diesmal zwischen weitgehender Lethargie und grenzenloser Extase. Zwei Stunden völlig irrwitziger Superzellentwicklung mit einem Finale furioso wie man es sich in seinen kühnsten Chaserträumen nicht besser hätte wünschen und vorstellen können. Vor allem müssen wir aber unserem Mr. Ultracool am Steuer danken, der aus 3 Minuten 15 hat werden lassen, und uns somit die Chance erhielt, den besten Chase in unserer SChaPLe-Karriere zu erleben. Man möchte sich nicht ausmalen was gewesen wäre, wenn ... . Und schließlich auch einen Dank an die verreckenden Nordzellen, die uns definitiv zu einer hundsgemeinen Falle hätten werden können, sowie unserem Alpha-Chaser inklusive his Apu-ness, denen kein setup ätzend genug ist, um es nicht doch am Ende in Augenschein zu nehmen ... auch wenn das anfängliche Resultat manchmal zu spontanen desillusionsbedingten Kurzschlussreaktionen führt :-).

Memorial day 2010 will long be kept in all our SChaPLe-memory ...


Hier alle Bilder auch als zip-File zum Download!